Es sind tatsächlich sehr unterschiedliche Gedanken, die mich zu Entschuldigungen beschäftigen. Deshalb schreibe ich im folgenden die Aspekte, die hierzu in mir vorgehen, voneinander getrennt auf:
Das fiese mal zuerst: kennst du das, wenn du ganz dringend willst, dass dein Mann/ Kollege/ Mutter/ Kind…sich bei dir entschuldigt? Wenn du ganz ehrlich bist, bedeutet das nichts anderes als: ich will, dass du zugibst, dass du mir Unrecht getan hast. Und damit natürlich auch zugibst, dass ich Recht habe. Und dies ist nichts anderes, als vom Gegenüber eine Unterwerfung zu fordern. Dies an sich ist schon mal nicht beziehungfördernd, egal um welche Art Beziehung es sich handelt. Und zusätzlich ist nicht auszuschließen, dass dein Gegenüber gar nicht der Ansicht ist, dir Unrecht getan zu haben, was die geforderte Unterwerfung noch fataler macht. Falls du eine solche Entschuldigungsforderung stellst, kannst du froh sein, wenn sie nicht erfüllt wird. Denn wenn dein Gegenüber sich dir unterwirft ( weil er oder sie keine andere Möglichkeit sieht, auf deine Forderung zu reagieren, kannst du sicher sein, dass dein Gegenüber sich zwar entschuldigt hat, aber dir ziemlich übel nehmen wird, dies getan zu haben.
Es gibt die Situation, dass du jemandem aufrichtig sagen kannst: es tut mir leid. Du hast dein Verhalten gegenüber dem/ der anderen reflektiert und bist zu dem Schluss gekommen, dass es nicht in Ordnung von dir war, zu schreien/ zu lügen/ fremdzugehen…was auch immer. Du hast dich wirklich damit auseinander gesetzt, bist in dich gegangen und bist nun so offen, zuzugeben, dass du dich falsch verhalten hast ( ist ja nicht jedem gegenüber einfach). Und dann passiert es, dass dein Gegenüber die Entschuldigung oder dein Bedauern/ Bereuen nicht annimmt oder nichts damit anfangen kann. Wenn das der Fall ist, liegt es daran, dass eine andere Variante von Es-tut-mir-leid nicht stattgefunden hat:
Du versetzt dich in den/die andere*n und weißt deshalb, auf welche Art dein Gegenüber sich mit deinem Verhalten gefühlt hat. Und es tut dir leid, du bist in Mitgefühl für diesen Menschen und bereust, dass du die Ursache für sein/ ihr schlechtes oder schmerzliches Gefühl warst. Aber am meisten: es tut dir aufrichtig leid, dass dieser Mensch sich so gefühlt hat.
Die beiden zuletzt genannten Varianten sind extrem entscheidend für gesunde und beziehungfördernde Entschuldigungen. Wobei es sein kann, dass nur eins von beiden Anwendung findet. Relativ häufig beschäftigen wir uns, wenn uns etwas leid tut, nur mit dem Teil, dass wir unangemessen waren. Was absolut wertvoll ist und dich befähigt, andere weniger zu verletzen.Oder du hast dich auf eine Art verhalten, von der du weißt, dass es dein Gegenüber verletzt hat, du bist in Mitgefühl gegenüber dieser Verletzung (z.B. eine Verabredung mit jemandem, dem es gerade schlecht geht und der sich sehr darauf gefreut hat, dich zu sehen, abgesagt, weil dein Kind krank geworden ist). Trotzdem weißt du, dass du dich in eine vergleichbaren Situation genauso verhalten würdest, weil es für dich nicht anders geht. Durch dein Mitgefühl kannst du ein ehrliches es-tut-mir-leid geben, ohne dich selbst in Frage zu stellen.
Und dann gibt es das wunderbare Phänomen, dass es gar keine Entschuldigung braucht, obwohl du dich schlimm verhalten hast, vielleicht fremd gegangen bist oder dich seit Beginn der Beziehung über deine*n Partner*in gestellt hast…Wenn du mit jemandem zu tun hast, der/die sich so weit entwickelt hat, wirklich frei und unabhängig zu sein, weiß diese Person, dass dein schlimmes Verhalten tatsächlich dein Problem ist und dass du dies mit dir klären musst und dies für dich sicherlich ein ziemlich schmerzlicher Prozess ist, wenn du dich dem wirklich stellst. Und wenn diese Person sieht, dass du in diesen Prozess einsteigst, ist sie in Mitgefühl für dich und braucht keine Entschuldigung. Und du kannst selbst sehr frei schauen, was du mit deinem Bereuen anstellst.